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Karen Thöle: musikalische PaläographieKenntnisse über die Notation der Alten Musik sind unmittelbar mit der Praxis zu verknüpfen. Die Kenntnis der Quellen und des Aussagewerts der jeweiligen Notationsform sind unverzichtbar für jeden, der sich ernsthaft mit Musik vor 1600 befassen will. Deshalb hat mich das Fach "Notationskunde" bzw. "musikalische Paläographie" an der Universität gleich besonders fasziniert. Als Studentin bot ich bald ein Tutorium zum Kurs an, und nach meinem Abschluß war ich vier Semester lang die Dozentin für die Magister- und Bachelor-Studenten. Im Rahmen meiner Dissertation und meines Forschungsprojektes wie auch meiner Musikpraxis arbeite ich selbstverständlich mit alten Quellen und wende meine Kenntnisse an. Unsere heutige Notation geht - mit mehreren Zwischenschritten - zurück auf die Neumennotation, die im Verlauf des 9. Jahrhunderts entstand. Die Neumen können das Auf und Ab der Melodie sowie bestimmte Aspekte der Ausführung anzeigen, nicht jedoch die genauen Tonhöhen. Als man im 11. Jahrhundert begann, Neumen auf Notenlinien zu schreiben, entwickelten sich daraus in Frankreich die Quadratnotation und in Deutschland die Hufnagelnotation. Nicht in diese Linie gehört die Dasia-Notation, die antike Vorbilder hat, und die in musiktheoretischen Traktaten seit dem 9. Jahrhundert vorkommt. Die Quadratnotation ist die Grundlage für die Modalnotation, die in Handschriften des 13. Jahrhunderts für die Musik der sogenannten "Notre-dame-Epoche" verwendet wurde. Diese Notation gibt den Rhythmus mit Hilfe von Ligaturen an, also von in Gruppen geschriebenen Noten. Die Regeln dieser Notation sind allerdings nicht anwendbar, wenn in einem Stück pro Silbe nur ein bis drei Töne gesungen werden. Die sich im Verlauf des 13. Jahrhunderts daraus entwickelnde Mensuralnotation ordnet schließlich den verschiedenen Noten- und Ligaturenformen genaue Werte zu. Im 14. Jahrhundert entstehen dann immer kürzere Notenwerte und Regeln, mit denen man auch die kompliziertesten Rhythmen darstellen kann. Und im 15. Jahrhundert werden die bisher schwarzen Notenköpfe hohl gelassen. Die Zeit um 1600 bringt dann den Umbruch zur heutigen Notation. Die Ligaturen waren nach und nach weniger geworden und verschwanden schließlich. Auch die komplizierten Regeln für Dreier-Takte wurden bald nicht mehr angewandt. Mehr zur Musiknotation des Mittelalters und der Renaissance auf meiner Seite www.mittelalter-recherche.de unter "Wissenswertes" |